Nachtgespräch


Taulin wälzte sich unruhig auf dem harten Strohlager herum. Die Ereignisse des Tages kreisten in seinem Sinn. Und auch Kaaloth, der sich es sich auch dem wackeligen Schrank gegenüber des Lagers gemütlich gemacht hat, blinzelte noch mit wachen Augen in die Dämmerung. Durch das halb geöffnet Fenster drangen wie von Ferne die nächtlichen Geräusche der Stadt. Doch das Braunbier war schliesslich doch stärker und er fiel in einen unruhigen Schlaf.

Wie eine schwarze Flut ergossen sich die Heere der Nachtalben in den Talkessel. Schreie durchdrangen die Luft, Schwerter blitzten in der gerade aufgehenden Sonne und das Heer des Ruoialis wappnete sich, die Horden zurückzuschlagen. In gespannter Ruhe wurde der Zusammenprall der Heere von Rouialis selbst erwartet. Er stand in vorderster Reihe der Verteidiger Cammuorias. Noch waren die Nachtalben über einen Bogenschuss weit weg - und jeder Schuss würde vergeudet sein. So sass der König des Reiches noch ruhig auf seinem prächtigen schwarzen Pferd und wartete ab, dem Herold das Zeichen zum Angriff zu geben. Unablässig srömten neue Heerscharen der Nachalben herbei, doch die ersten Reihen kamen langsam in Schussweite. Der König hob seinen Arm - und in diesem Moment zuckte ein gleissendes Licht über das Schlachtfeld, ein Blitz löste sich und durchbohrte Rouialis Brust. Mit einem grässlichen Schrei stürzte er leblos vom Pferd.
Auf der Hügelkette, die den Talkessel bildete, tauchten nach und nach N'dragoth auf. Ihre von langen Kutten verhüllten Körper hoben sich wie drohende Schatten vom Horizont ab. Und mit ihrer gebündelten Feuermagie vernichteten sie das Heer Cammuorias. Flammen schlugen aus der Luft, züngelten aus dem Boden und verbrannten alles, was sich ihnen in den Weg stellte. Verzweifelte Schreie brennender Kämpfer gellten durch das Tal.

Mit einem Schrei wachte Taulin schweissgebadet auf. Tränen liefen ihm über das Gesicht und er war nachdem er den Schrecken des Traumes abgelegt hatte froh, dass er immer noch in der "Eiligen Schnecke" war. Zu plastisch, lebensecht war der Traum gewesen. Und kalte Angst stieg in ihm auf. Was, wenn das kein Traum war ? Wenn es eine Vision war ? Die Zukunft ? Während der Halbelf noch grübelte, schlich sich eine Stimme in seine Gedanken: "Hab' keine Angst, Freund. Du hast nur geträumt." Taulin, eben erst aus dem Schlaf gerissen, war sich nicht ganz sicher, ob er jetzt eine Stimme gehört hat oder nur ein Opfer seiner überreizten Nerven geworden war. Trotzdem suchten seine Augen den kleinen Raum ab. Aber ausser Kaaloth, der immer noch auf dem Schrank döste, war niemand zu entdecken. Beruhigt legte er sich wieder zurück, doch schon war die Stimme wieder da: "Du brauchst nicht zu erschrecken. Hier bist Du sicher". Er langte nach seinem Dolch, den ihm Druin wieder auf das Zimmer hat bringen lassen. "Komm, nimm die Hand vom Dolch. Ich habe Dir doch gesagt, Du bist hier sicher". Mit einem Satz sprang Taulin von seinem Lager, den Dolch jetzt blankgezogen in der Hand rief er in den dunklen Raum: "Wer ist hier ? Zeigt Euch...". "Siehst Du hier vielleicht noch jemanden ?" spottete die Stimme in seinem Kopf. " Taulin, in Abwehrstellung mit dem Rücken zur Wand, versuchte nochmals im Zimmer jemanden zu entdecken, zu dem die Stimme gehörte, doch nur Kaaloth verfolgte seine angstvollen Blicke. Es schien, als wenn die Feuerechse lächelte.
"Du kannst mich verstehen, aber nicht hören - sehen kannst Du mich. Sieh doch einmal zum Schrank" flüsterte die Stimme. Er wand seinen Blick schnell dem Schrank zu und langsam glomm ein Funke des Verstehens in ihm auf. "Kaaloth ? Du ?" "Ja, ich ! Ich kann nicht mit Dir sprechen, so wie Du es gewohnt bist. Aber ich kann Deinen Geist lesen und und meine Gedanken auf Dich übertragen. Ein Erbe der Drachen..." amüsierte sich Kaaloth, der jetzt mit ausgebreiteten Schwingen zum Flug ansetzte und sich auf Taulins Schulter niederliess. "Du kannst jetzt den Dolch wirklich herunternehmen, am Ende verletzt Du dich noch". "Aber ... wieso.... ich verstehe nicht....." stammelte Taulin, der sich wieder auf das Lager sinken liess. "Das ist eigentlich ganz einfach, mein Freund. Der Elfenstein nacht das möglich. Wer im Besitz dieses magischen Steines ist, dessen Geist ist offen. Und ich kann Dir meine Gedanken mitteilen. Das geht umgekehrt genauso, Du brauchst den Mund nicht zu öffnen, um mit mir zu reden. So unterhalten wir Feuerechsen uns auch untereinander. Und mit den Drachen genauso. Nur dass wir dazu den Elfenstein eben nicht brauchen".
"Drachen ? Du kannst mit den Drachen reden ? Das heisst ja, sie leben noch, es gibt sie noch." Taulin war ganz aufgeregt. "Kannst Du sie herbeirufen ?" Kaaloth hüpfte von der Schulter seines Begleiters und machte es sich im Stroh bequem. "Ja..." meinte er nachdenklich "die Drachen leben noch. Peregoth, der alte Drachenkönig, ist zwar schon lange tot, aber das Volk hat überlebt und ist jetzt in der Wüste anzutreffen. Herbeirufen kann ich sie nicht. Ich spüre nur, dass sie noch da sind. Unsere Reise bleibt uns also nicht erspart. Und sie wird nicht einfach werden.
Die Gefahren des Weges werden wohl das Geringste sein. Die Drachen sind den Menschen und Elfen nicht unbedingt wohlgesonnen. Zu hoch war der Preis der Schlacht am Nimwein. Und wenn es Dir nicht gelingt, sie umzustimmen und mit in den Kampf gegen die N'dragoth zu ziehen, dann könnte Dein Traum schon Wirklichkeit werden".
"Ich werde sie schon überzeugen können" meinte der Halbelf zuversichtlich. "Und wenn Du mit mir gehst, dann kannst Du mir ja auch helfen, aus Dich werden sie sicher hören. Ihr seid ja sowas wie Verwandte". "Verwandte ?" Kaaloth stiess belustigt einen dünnen Rauchkringel aus. "Naja, entfernt sind wir schon verwandt. Aber sie empfinden uns eher als lästig. Wir sind zuviel mit den Menschen zusammen und irgendwie fehlt uns die Weisheit. Sagen die Drachen. Aber ich werde Dir trotzdem versuchen zu helfen. Ich mag Dich, kleiner Halbelf. Und ich will nicht, dass das Dunkle die Macht in Cammuoria ergreift."
Taulin lächelte dem blauen Tier zu: "Ich mag Dich auch, und wir müssen es einfach schaffen, zuviel steht auf dem Spiel. Und wenn Elfen, Menschen, Zwerge und Sein als Abordnung zu den Drachen kommen, dann werden sie uns doch wenigsten Gehör schenken. Sie müssen einfach..."
Doch Kaaloth sprach über die Geistesbrücke ernst zu ihm: "Schön wäre es, wenn alles so einfach ging. Aber wer weiss, das passiert, wenn wir die Drachen wirklich finden. Die Wüste ist gross und sie wollen nicht gefunden werden. Was ist, wenn sie unfreundlich reagieren ? Die grossen Kampfdrachen - mit denen ist nicht zu spassen. Ein Feuerstoss und wir kommen alle nicht wieder... Doch das sind alles Probleme, die wir erst haben werden, wenn wir dort sind. Noch etwas viel näher liegendes ist es, wovor ichDich warnen will: Die Zwerge werden morgen Grindol schicken, um uns zu begleiten. Er hat zwar einen hohen Rang in der Garde der Lichthüter inne. Hüte Dich trotzdem vor ihm. Ich spüre, dass seine Absichten nicht vollständig unserer Sache dienen."
"Woher weisst Du das ? Der Rat hat doch nur entschieden, dass ein Zwerg uns begleiten soll ? Selbst Bandar weiss noch nicht, wer genau mitkommt. Und wie willst Du wissen, ob er uns gut gesonnen ist ?" fragte Taulin. "Hier in der Stadt fliegen viele meiner Freunde herum. Und wir stehen alle miteinander in Verbindung. Ch'rias hat Thetin belauscht, als er aus seinem Gefolge Grindol auswählte. Und ich spüre eben, dass mit ihm irgendwas nicht stimmt. Was es ist ? Ich wollte, ich wüsste selbst mehr. Aber das liegt ausserhalb meiner Gabe. Ich spüre es eben. Also sei gewarnt, mein Freund. Und jetzt glaube ich, solltest Du wieder versuchen, ein wenig zu schlafen. Der Tag morgen wird lang und anstrengend werden."

Mit diesen Worten flog Kaaloth elegant auf und liess sich wieder auf dem Schrank nieder. Taulin sah ihm nach und meinte: "Du hast Recht - all das grübeln hilft nichts. Wir werden auf die Reise gehen und dann sehen, wie es ausgeht. Ich bin jetzt schon froh, Dich dabeizuhaben. Auf Grindol werde ich ein Auge haben, ich danke Dir...."

Taulin legte sich wieder auf das Strohlager und war bald darauf eingeschlafen. Auch Kaaloth döste vor sich hin, erwartungsvoll, was der nächste Tag bringen würde...


 
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