Der Hüter der Lichtpforte


„Aufstehen ! Steh’ sofort auf du fauler Elf“ Benommen blinzelte Taulin in die hoch stehende Sonne. Er musste lange geschlafen haben, denn der die Länge des Schattens verriet ihm, dass es schon fast Mittsonn sein musste. Der Schatten gehörte zu einem Zwerg, der jetzt Taulin noch mal schüttelte. „Jetzt wach’ doch endlich auf, oder seit ihr Elfen alle so verschlafen ?“
 „Ich bin ein Halb-Elf“ murmelte Taulin immer noch müde. „Und wer bist Du ?“
 „Urung ‘tal Samong werde ich bei meinem Volk genannt. Erster Hüter der dritten Pforte des Lichtes. Halb-Elf oder Elf - bist Du nun wach genug, um mir Fragen zu beantworten ?“
Taulin musterte den Zwerg: Für einen ersten Hüter einer Lichtpforte erschien er ihm etwas jung. Aber man konnte sich bei dem Zwergenvolk leicht täuschen, was das Alter angeht. Sein braunes Wams war geschmückt mit den Abzeichen der Wachen von Granol’ Ur und in dem breiten Ledergürtel steckte eine mächtige, zweischneidige Axt, deren scharfe Klinge im Licht funkelte. Sein langer grauer Bart war zerzaust. Und überhaupt, der Zwerg sah aus, als wenn er im Gegensatz zu Taulin überhaupt nicht geschlafen hätte in der letzten Zeit. „Was gibt es denn so wichtiges, dass du meinen Schlaf störst, Urung ‘tal  wie war doch der Name noch“
„Urung ‘tal Samong heisse ich und ich habe keine Zeit für Scherze. Ich bin auf der Suche nach einem anscheinend verrückt gewordenen Haufen Nachtalben. Die haben es wirklich gewagt heute Nacht in unser Reich einzudringen. Drei meiner besten Hüter haben sie mit Pfeilen gespickt. Und ich will wissen, wo sie jetzt sind. Hast du Halb-Elf was gesehen?“ fragte Urung ‘tal Samong. Der Zwerg schien bei dem Gedanken an das was heute Nacht in seinem Reich geschehen war richtig wütend zu werden. „Hmmm...“ meinte Taulin, der erst einmal Zeit gewinnen wollte. Er wusste ja, was es mit den Nachtalben auf sich hatte. Hellwach war er jetzt - denn aus dem Umstand, den Urung ‘tal Samong da schilderte, war vielleicht eine Lösung seiner eigenen Probleme zu ziehen.

„Erst einmal kannst du Taulin zu mir sagen, das ist mein Name - und nicht Halb-Elf“ verzögerte er weiter das Gespräch. Er dachte nach, ob er das Versteck der Nachtalben noch finden würde, war sich dessen aber ziemlich sicher. Aber ob er das auch diesem Zwerg sagen sollte ?
„Ich habe schon mitbekommen, dass es heute Nacht unruhig im Wald war. Gegen Morgengrauen habe ich ein paar Nachtalben gesehen. Das stimmt wohl.“
„Weißt Du denn, wohin sie gezogen sind ?“ Mit einer unbestimmten Handbewegung nach Westen erklärte Taulin, wohin er meinte und erklärte dem aufmerksam zuhörenden Urung ‘tal Samong: „Weißt Du, mit Nachtalben ist nicht zu spassen. Ich habe ich in meiner Kuhle versteckt und war froh, als das Gesindel vorbeizog ohne mich zu sehen. Mehr weiss ich wirklich nicht - tut mir leid.“ Was er verschwieg: Im Morgengrauen hatte er gar nichts gehört. Und dass dieses grässliche Volk es eigentlich auf ihn abgesehen hatte, war auch wohl besser verschwiegen. Wahrscheinlich nahmen die Nachtalben an, ich wäre zu den Zwergen geflohen. Die müssen ja wirklich in arger Rage gewesen sein. Bei den Zwergen uneingeladen in ein Tor des Lichtes einzutreten war schon schlimm genug. Das kleine Volk ist da sehr eigen. Aber dann auch noch mit Gewalt...  Na, ich bin einmal gespannt, was der Wächter jetzt so vor hat, dachte sich Taulin.

Nachdenklich strich sich Urung ‘tal Samong über den Bart. „Der Wald ist gross und ziemlich unübersichtlich“ sprach er zu Taulin. „Meinst Du, Du könntest mir bei der Suche helfen ?“
Jetzt war es an Taulin, nachdenklich zu sein. Der weitere Verlauf des Gespräches war von höchster Wichtigkeit für ihn. Schliesslich ging es um seinen Kopf.


 
Die Gefangennahme
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(C) by Claus Meurer