Der Elfenstein


Wampa, der Wirt des Gasthauses, stellte einen grossen Krug Braunbier vor Asbin und Taulin. „Ich habe gehört, was die Herolde verkünden. Ihr seid sehr mutig. Eine lange und gefahrvolle Reise wartet auf Euch. Für meinen Teil ist es mit eine Ehre, Euch zu beherbergen. Trinkt diesen Krug auf meine Rechnung. Ich wünsche, dass ihr wohlbehalten wieder zurückkehrt. Am liebsten mit den Drachen." meinte der Wirt ernst. Asbin bedankte sich höflich bei Wampa und verfiel wieder in nachdenkliches Schweigen. Taulin, der immer noch verwirrt war und versuchte, die neue Wendung in seinem Leben zu verstehen, unterbrach das Schweigen: „Scheint so, als wenn wir jetzt längere Zeit zusammen reisen würden." Der Waldläufer antwortete ihm nur mit einem brummigen „Hmmmmm....".

Doch Taulin liess sich nicht beirren. „Asbin, wenn du weiterhin so redseelig bist, dann werden wir bestimmt noch viel Spass haben. Ist ja richtig unterhaltsam mit dir".

„Spotte nicht, mein Freund." erwiderte Asbin, dem Taulins Worte doch ein Grinsen abnötigten. „Rouialis hatte schon recht, wenn er meinte, dass es eine gefährliche Reise wird. Ich überlege mir gerade, wie wir möglichst ungesehen unseren Weg gehen können. Die N’dragoth werden sehr schnell mitbekommen, dass wir uns rüsten. Der Marsch nach Yarl kann nicht verborgen bleiben. Aber dass auch nach den Drachen gesucht wird, das soll doch zumindest vorerst unser Geheimnis bleiben. Aber du hast recht: Allzuviel grübeln bringt auch nichts. Lass uns den Tag noch geniessen. Pläne schmieden können wir heute abend noch, wenn Bandar kommt." Mit diesen Worten hob er seinen Krug und prostete Taulin zu.

Sie unterhielten sich noch eine zeitlang über die Beobachtungen, die Asbin gesammelt hat und über die Ratssitzung, als die Tür zum Gasthaus schwungvoll geöffnet wurde. Mit einem Mal wurde es still in der Gaststube. Alle blicken zur Tür, durch die Druin, Hochelf und Herrscher über den Elfenwald trat ein. Als Taulin ihn bemerkte, flüsterte er Asbin zu: „ich glaube, das gibt Ärger. Druin ist wegen einer alten Sache nicht gut auf mich zu sprechen. Wäre vielleicht besser, du gehst."

„Nein" meinte der Waldläufer. „In diesen Zeiten ist kein Platz für alte Streitigkeiten. Und ich glaube auch nicht, dass Druin deshalb gekommen ist".

„Darf ich mich zu den Gefährten setzen ?" Druin stand vor dem Tisch der beiden. In seiner weissen Robe, schlank, grossgewachsen und mit einem ernsten, von Sorgenfalten durchzogenem Gesicht sah er respekteinflössend aus. Taulin standen Schweissperlen auf der Stirn. „Ähhh... es ist uns eine Ehre..." stotterte er.

„Danke" erwiderte der Hochelf knapp und und zog sich einen Stuhl heran. „Ihr werdet euch wundern, dass ich euere Gesellschaft suche, nachdem ich ja heute im Rat nicht sehr gut über dich - er sah Taulin an - gesprochen habe. Ich halte dich auch nach wie vor für einen Nichtsnutz". Taulin wurde auf seiner Bank immer kleiner. „Dennoch hat mich Ruoialis überzeugt. Vielleicht steckt doch mehr in dir, als ich zu sehen vermag. Und ich glaube, dass Cammuoria alle Kraft brauchen wird, um der neuerlichen Bedrohung standhalten zu können. Deshalb will ich deine Streiche, die du uns im Elfenwald gespielt hast, einstweilen zurückstellen. Und wenn du meinen Ring in Ruhe lässt, dann könnte ich mir sogar vorstellen, dass du wieder im Elfenwald leben könntest - wenn deine Reise erfolgreich verläuft" sprach er, und ein kleines lächeln spielte um seine Mundwinkel.

Taulin war wie vom Donner gerührt. Es musste doch viel schlechter um seine Heimat stehen, wenn sich selbst der Hochelf herabliess, so mit ihm zu reden. Mit zitternden Händen nahm er noch einen Schluck Braunbier, sah Druin fest an und sagte zu ihm: „Mein Herr, es stimmt, dass ich bisher nicht so recht zustande gebracht habe. Und das mit dem Ring, es tut mir wirklich aufrichtig leid. Aber ich beginne mehr und mehr zu verstehen, dass alte Zwistigkeiten nichts gegen das sind, was Cammuoria bedroht. Wenn es meine Aufgabe ist, einen Teil dazu beizutragen, Unheil abzuwenden, dann nehme ich sie gerne wahr. Für meine Heimat, wo immer sie auch sein möge. Ich bin bereit zu gehen und wie im Rat gesagt nicht zu ruhen, ehe ich mit den Drachen zurückkomme oder untergehe."

„Wohl gesprochen, mein lieber Taulin" entgegnete Druin. Vertretet das Elfenvolk gut auf euerer Reise".  Er nestelte an einem kleinen dunkelblauem Samtbeutel, den er am Gürtel trug. „Als Herrscher über das Elfenvolk ist mir der Elfenstein anvertraut" sprach er, und hielt einen matt schimmernden dunkelroten Stein, der eine  exakte Kugel bildete, in der Hand. „Dieser Stein entstand am Anfang der Zeit. Er birgt mächtige Magie. Sie wurde noch von den Drachen in ihm gebannt. Er kann dich in grosser Gefahr warnen - oder dir auch helfen. Wie ? Das weiss ich nicht. Dieses Geheimnis ging verloren. Vertraue auf den Stein, und er wird dir helfen. Achte gut auf ihn." Er legte die Kugel in Taulins Hand, sie fühlte sich warm - fast lebendig an.

Ehrfurchtsvoll blickte Taulin erst den Stein, dann den Hochelfen an. „Herr, ich werde tun was ich vermag. Und ich verspreche, ich werde das Elfenvolk nicht enttäuschen".

„So sei es. Ich wünsche euch und eueren Gefährten viel Glück. Möge der Segen unserer Götter über euch liegen. Eueren Bogen und euer Schwert habe ich aus dem Elfenwald übrigens herbringen lassen. Wampa hat die Waffen bereits in euere Kammer gebracht. Wenn euere Gedanken rein sind, dann seid ihr jetzt gut gerüstet. Gehabt euch wohl, und ich hoffe auf eine erfolgreiche Rückkehr". Mit diesen Worten verabschiedete sich Druin von Taulin und dem Waldläufer.

Asbin sah Taulin grinsend an. „Na, im Elfenwald hast du wohl eine Menge Unsinn getrieben ?"
„Ach" entgegnete Taulin, „es stimmt schon, ich war ein rechter Nichtsnutz. Aber jetzt - ich gehe meine Aufgabe erfüllen. Egal wie." Er verstaute den Elfenstein sorgfältig in seinem Wams.

„Na komm, darauf lass uns erst einmal noch einen Krug trinken" meinte sein Gefährte und winkte dem Wirt, der sogleich mit frischen Braunbier aufwartete.

Kurze Zeit später erschien auch Bandar, des Königs erster Ritter. Taulin und Asbin erzählten im vom Besuch des Hochelfen und seiner Gabe, die auf dieser Reise noch von grossem Wert sein sollte. Sie schmiedeten Pläne, wie am besten vorzugehen sei, um möglichst ungesehen über das Land zu reisen. Strecken wurden ausgewählt und wieder verworfen. Und spät in der Nacht kamen sie überein, dass es besser sei, den Weg endgültig erst festzulegen, wenn alle Teilnehmer des Abenteuers zusammengekommen sind. Nach einem weiteren Krug Braunbier, der diesmal von Gästen, die auch von dem Erlass des Königs gehört hatten, spendiert wurde, gingen sie zur Ruhe. Am nächsten Tag sollte es losgehen.......

 


 
Nachtgespräch
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