Begegnungen

"DU ARMSELIGER, HINTERHÄLTIGER TROLLFURZ!!"
Was Taulin da entgegenschlug, war nicht ganz das fröhliche Schwatzen trinkfester Gäste, das er beim Eintreten in den Schankraum eigentlich erwartet hatte.

RRRUUUMMMSSS !!!!

Dem lautstarken Fluchen und Schreien folgte ein hölzerner Schemel, der eine Elle neben Taulins linkem Ohr an die steinerne Wand krachte.

"Hey!!" schrie Taulin, als er sich nach rechts warf und unsanft auf dem harten Lehmboden landete. Mit offenem Mund sass er fassungslos auf dem Boden und blickte hektisch kreuz und quer um sich, während seine Augen sich an das schummrige Licht im Gasthaus gewöhnten.

"MÖGE DEINE ZUNGE SO DICK WERDEN WIE EIN ARTOK-KÜRBIS UND DU DARAN ERSTICKEN!" Die Stimme, die Taulin empfangen hatte, strapazierte wieder arg seine Ohren.

"Hysterisches Weib, lass mein Ohr los! AUAAA!!" eine zweite, schmerzerfüllte Stimme war zu vernehmen.

Taulin hockte immer noch auf dem Boden, als er langsam den Tumult im Schankraum durchschaute. Zwei der Gäste hatten sich lautstark und handgreiflich in der Wolle. Eine hochgewachsene Frau in seltsamer, lederner Kleidung drehte mit festem Griff an einem Zwergenohr. Der Zwerg, zu dem das Ohr gehörte, kniff schmerzerfüllt die Augen zusammen, während er sich unter dem Griff der Frau wand und verzweifelt versuchte, sie mit seinen Fäusten zu treffen. Doch geschickt wich seine Widersacherin den halbherzigen Schlägen aus. Es sah nicht sonderlich gut aus für den Zwerg.

Die restlichen Gäste hatten sich um die zwei geschart, die inmitten einiger umgestossener Bänke und Tische mitten in der Schankstube standen.

"Ja, weiter so Ogrim. Du machst das richtig gut. Gleich hast du sie besiegt" rief ein untersetzer Händler in teuren Kleidern lachend dem sich windenden Zwerg zu. Der Zweikampf rief allgemeine Belustigung bei den anderen Gästen hervor. Einige standen beisammen und tauschten kleine Geldmünzen aus. Sie wetteten über den Ausgang des ungewöhnlichen Zweikampfs ...

"AUAAA!!" Ein Schmerzensschrei kreischte durch den Raum. "Ich nehme alles zurück" rief der Zwerg jammernd.

"WAS GENAU NIMMST DU ZURÜCK?!" Die knallrote Farbe im wütenden Gesicht der Frau stand in krassem Gegensatz zu ihrem strohblonden, struppig kurzen Haar.

"F... AUUUAAA ... Frauen sind bessere Kämpfer und Mag .. IAAAAAA .. Magier als Männer und Mä ... AAAA .. nner können ihnen niemals das Wa ... AIIHHHH .. Wasser reichen!" Ogrim der Zwerg wand sich schmerzerfüllt unter dem erbarmungslosen Griff der Frau. Zwischen ihren Fingern lugte ein leuchtend rotes Stück Zwergenohr hervor. Taulin kniff unwillkürlich die Augen zusammen, als er mit dem Zwerg mitfühlte. Das sah nicht gut aus. Das sah gar nicht gut aus.

"UND ?!?!" rief die Frau erbarmungslos dem gepeinigten Zwerg zu.

Taulin fand langsam Gefallen an dem merkwürdigen Schauspiel. Er musste unwillkürlich grinsen, als er das ungleiche Paar beobachtete. Er dachte noch über die Chancen des Zwerges nach, als aus den Augenwinkeln ein Aufblitzen seine Aufmerksamkeit erregte. Er drehte den Kopf und schaute nach rechts. Ein hagerer, grimmig dreinblickender Zwerg in schmutziger, zerlumpter Kleidung hatte einen kleinen Dolch gezogen. Er bewegte sich, von den anderen Gästen unbemerkt, langsam in einem Halbkreis hinter die wütend schreiende Frau. Taulins Grinsen erstarb. Der hagere Zwerg war weniger als fünf Schritte von der Frau entfernt, den Dolch fest in der rechten Hand. Das ging eindeutig zu weit.

Taulin rappelte sich hastig hoch und liess den hageren Zwerg nicht aus den Augen. Noch drei Schritte.

"STIRB ELENDE !!!!!" schrie der Zwerg plötzlich, riss den Dolch hoch und stürzte von hinten auf die Frau zu. Die anderen Gäste waren von dieser Wendung völlig überrumpelt und starrten fassungslos auf den heranstürmenden Zwerg. Nur Taulin traf diese Wendung nicht unvorbereitet. Mit langen Sprüngen hastete er bereits auf den Zwerg zu und stiess dabei einige der Umstehenden zur Seite. NOCH EINEN SCHRITT DANN ...

"AAAAAHHHHHH ...." die Tonlage der Frau änderte sich deutlich, als der Dolch des Zwergs ihren Arm traf. Noch während er stürzte, versuchte der Zwerg den Dolch tiefer zu bohren. Doch Taulin hatte ihn bereits fest im Griff. Kurz bevor der Zwerg sein eigentliches Ziel, den Oberkörper der Frau, traf, hatte Taulin ihn erreicht und riss ihn von den Beinen. So traf der Dolchstoss lediglich mit halber Kraft den Arm der Frau und glitt dann kraftlos ab. Schnell hockte Taulin sich auf den Zwerg und entwand dem strampelnden Angreifer geschickt den Dolch.

Langsam fassten sich auch die Umstehenden wieder. Ihre Reihen teilten sich, als ein wutschnaubender, dicker Mann mit weisser Schürze durch ihre Reihen brach.

"Snaygard, du Kröte. Raus aus meinem Gasthaus! Du bist hier nicht mehr willkommen! Du bist eine Schande für deine Rasse! RAUS!" Der Ärger des Schankwirts sprang auf die anderen Gäste über. Was für ein hinterlistiger Angriff! Schnell fanden sich zwei Gäste, die Taulin beiseite schoben und den immer noch strampelnden Zwerg namens Snaygard schnappten und unsanft durch die Tür auf die staubige Strasse warfen.

Taulin war wieder aufgestanden, klopfte sich den Schmutz von den Kleidern und schaute sich um. Ogrim, der gepeinigte Zwerg, hatte sich rasch nach dem Angriff vor der Frau in Sicherheit gebracht und hockte nun nah bei den Bierfässern auf einer hölzernen Bank. Mit verkniffendem Gesicht rieb er sein rotes, vor Schmerz pulsierendes Ohr. Einer der Gäste trat lachend auf ihn zu und stellte einen riesigen, hölzernen Krug vor den Zwerg, in dem Taulin schäumendes Bier schwappen sah.

"Da, nimm Ogrim. Wampa's Bier weckt Tote auf." Einige andere Gäste hieben dem Zwerg freundschaftlich auf die Schulter. "Nächstes Mal solltest du dich besser vorbereiten, wenn du eine Sein beleidigen willst" rief einer von ihnen grinsend dem kleinlauten Zwerg zu.

Eine Sein? Aber ... sie war blond! "Du bist blond" sagte Taulin unwillkürlich, als er sich zu der Frau umdrehte, die mit verkniffenen Gesicht ihren rechten Arm mit einem Streifen Leinen verband, den der Schankwirt ihr mittlerweile gereicht hatte.

Sie schaute ihn finster an und sagte kein Wort.

Der Schankwirt zog Taulin unsanft zur Seite, während dieser immer noch fassungslos auf die Frau starrte.

"He, pass bloss auf, mit Yaani ist nicht zu spassen" raunte der Wirt ihm zu.

"Aber ... sie ist blond. Blond ..." murmelte Taulin, während er, vom Wirt geschubst, auf eine der noch freien Holzbänke plumpste. Die übrigen Gäste hatten sich zwischenzeitlich wieder an ihre Tische verzogen.

"Ja, sie ist blond" der Wirt setzte sich zu Taulin und sprach mit gedämpfter Stimme weiter "und sie ist hochgewachsen. Aber vergiss das besser schnell wieder. Ogrim hat auch so angefangen und jetzt sieh dir sein Ohr an ."

"Aber ... Sein. Ich habe noch nie eine Sein gesehen, die eine andere Haarfarbe als schwarz hat. Und die derart gross ist." sagte Taulin, während er sich zum Schankwirt umdrehte.

"Alle anderen haben ja schwarze Haare und sind klein und stämmig. Das ist schliesslich der Grund, weshalb sie ausgestossen wurde. Mit den Jahren wurde sie immer grösser und ihr Haar wurde immer heller. Schliesslich warf man ihr vor, dass sie eine Udra-Sein ist, ein Halbblut. Ihre Widersacher setzten sich durch, und so stiess man sie vor einigen Monaten aus ihrem Clan aus. Sie kommt seither immer wieder hierher, auf der Suche nach Söldneraufträgen. Sie hält sich damit über Wasser."

"Woher weisst du das alles?" für Taulin wurde die Sache immer interessanter.

"Nun ja" der Wirt schaute verlegen zu Boden. "Ich war nicht immer mit meiner Tullah verheiratet. Ich ... ach was!" mit einer Handbewegung wischte er den Gedanken beiseite. "Sagen wir einfach, ich habe ein paar gute Bekannte bei den Sein."

Taulin blickte mit ungläubig Mund auf den Wirt, während die wildesten Geschichten durch seinen Geist jagten, was Wampa da wohl ...

RUMMS !!

Die Tür zum Schankraum schlug zu und Taulin dreht den Kopf. Die Sein war weg. Sie musste den Schankraum verlassen haben, während Taulin mit dem Wirt gesprochen hatte.

Ohne zu überlegen sprang Taulin auf, rannte zur Tür, riss sie auf und sprang auf die Strasse. Hastig blickte er sich um. Da war sie!

"HEY, WARTE!!" rief Taulin der merkwürdigen Sein nach und stürzte hinter ihr her.
 


 
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(C) by Manuela Maier